Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Sweet Home: Serie «Meine Welt»«Mit Kunst komme ich der Natur näher als mit Wissenschaft»

Wohnt derzeit als «Artist in Residence» in ihrem temporären Sommerzuhause im Atelier von Lilly Keller: Die Künstlerin Valerie Lipscher. Foto: MKN

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Mitten an einem schönen Sommertag blitzte eine interessante Mail der Zürcher Künstlerin Valerie Lipscher in meinem Postfach auf. Sie schwärmte darin von ihrem momentanen Arbeitsort: Noch bis Ende August mietet sie sich als «Artist in Residence» im Atelier der Schweizer Künstlerin Lilly Keller (1929-2018) in Thusis im Kanton Graubünden ein. Valerie schickte einige Bilder mit, die mich sofort begeisterten. Und da in der Sommerzeit alles ein wenig verlangsamt ist und das schöne Wetter gerade perfekt für einen Ausflug war, reiste ich kurzerhand nach Thusis. So bekommen Sie hier eine Art Ferienausgabe der neuen Sweet-Home-Serie «Meine Welt», bei der es um Stil, Kreativität und die schönen Dinge des Lebens geht sowie um die Menschen, die sich beruflich damit beschäftigen. Diese Geschichte führt nicht nur in die kreative Welt von Valerie Lipscher, sondern auch in das zauberhafte und inspirierende Atelierhaus von Lilly Keller.

Ihr Weg führte über die Naturwissenschaften zur Kunst: Valerie Lipscher – hier in ihrem Atelier in Zürich. Foto: Moritz Schmid

Valerie Lipscher machte ihren Bachelor und Master in Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich. Doch das kreative Schaffen zog sie so stark an, dass sie danach an der Luzerner Hochschule für Design und Kunst Illustration studierte und mit einem Bachelor abschloss.

Natur in Form von Kunst: Ein Blumenbild, das auch zum Foulard wurde. Foto: @valelip

Meine kreative Karriere begann ich ...

... nicht als klassische Illustratorin, sondern ich entwarf, produzierte und verkaufte Stoffe, Foulards, Tattoosujets oder Keramik. Immer öfters zog es mich aber stärker in die freie Kunst. So male ich momentan viele Bilder, kreiere getuftete Tapisserien oder widme mich Collagen. Dabei zieht es mich immer wieder in die Natur.

Im grossen Garten rund um das Lilly Keller Haus sind viele Objekte und Kunst zu finden. Foto: MKN

Inspirationen für meine Arbeit finde ich ...

… in der Natur und meiner Liebe zu Blumen, Pflanzen, Tieren, Farben und Gärten. Zudem bin ich fasziniert von gutem Handwerk, der Volkskunst, Textilien und Mustern.

Ideen und Entwürfe entstehen ...

… in verschiedenen Büchern, kleinen und grösseren, in die ich male, zeichne und klebe. 

Valerie blättert in einem ihrer vielen Skizzenbücher. Foto: MKN

Im  Atelier von Lilly Keller bin ich, ...

… weil hier Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geboten wird, für einen oder mehrere Monate zu wohnen und zu arbeiten. So kann ich mich ohne Ablenkung und in einer neuen, inspirierenden Umgebung ganz meiner Kunst widmen.

Bringen Kunst und Alltagsobjekte zusammen: Werke von Lilly Keller in ihrem Haus. Foto: MKN

Am Leben und Werk von Lilly Keller fasziniert mich, ...

… dass die Künstlerin multidisziplinär arbeitete. Sie kreierte ihre Kunst auch aus ganz alltäglichen Objekten. Zudem hatte sie es nicht einfach, sich in der damals stark von Männern dominierten Kunstwelt einen Platz zu schaffen. Trotz vieler Schwierigkeiten ist sie dennoch unbeirrt ihren eigenen Weg gegangen.

Mein interessantester Job bis jetzt war ...

… eine Auftragsarbeit, bei der ich für ein umgebautes Bauernhaus ein grosses Wandbild anfertigen durfte. Ich malte dabei allerlei Tiere und Blumen in einem Wald. Ebenfalls spannend war es, für «Das Farbenbuch», ein Lehrbuch der Pigmente und Farbstoffe, Illustrationen zu machen von Pflanzen, die man zum Färben braucht.

Das Resultat: Ein grosses Waldbild als Auftragsarbeit für ein umgebautes Bauernhaus. Foto: Valerie Lipscher

Meinen Stil beschreibe ich ...

… als bunt und fröhlich, denn ich liebe Farben und Muster und das am liebsten im Mix.

Eine Stilikone ...

… habe ich eigentlich nicht. Aber am ehesten Frida Kahlo. Sie fasziniert mich nicht nur wegen ihrer Kunst, sondern  auch mit ihrem Stil, den sie mit Kleidern, Schmuck und im Haus auf einzigartige Weise umsetzte. Die Malerin Sonia Delaunay ist eine andere Frau, deren Werk und Stil ich liebe.

Erst kürzlich hat Valerie ihren Partner Samuel Schuhmacher geheiratet – und dabei entschied sich das Paar für gemusterte Kleider. Foto: Jonathan Labusch

.. einen Beautytipp, den ich weitergeben kann, ...

ist das Flechten von Bändern in die Haare. Das hat auch Frida Kahlo gemacht und ich finde, es ist eine schöne Weise, Schmuck und Frisur zusammenzubringen.

Dinge, nach denen ich gerne Ausschau halte, ...

… sind zum Beispiel allerlei Perlen und «Chräleli». Ich liebe es, in Bastelläden zu stöbern und dabei Dinge zu entdecken, aus denen ich etwas machen kann. Auch in den Ferien, denn damit kann ich dann am Strand etwas Hübsches auffädeln.

Ein Kiste voller Perlen und Stapel mit Lieblingsbüchern. Foto: MKN

Ein interessantes Buch, das ich kürzlich gelesen habe, ...

… ist  «Ritt auf der Wildsau – Manifest für die Malerei» von Rachel Lumsden, einer Malerin und ehemaligen Dozentin. Ich habe es in einem Zug verschlungen. Sie beantwortet darin unter anderem die Frage, ob man einen Baum mit Vögeln malen darf. Auch ich liebe es, Vögel und Blumen zu malen, aber im Kunstbetrieb ist das nicht so gerne gesehen. Und natürlich habe ich auch ein gutes Buch über Lilly Keller gelesen:  «Lilly Keller Künstlerin. Literarisches Portrait von Fredy Lerch».

Da meine Freundinnen und ich fanden, dass wir zu wenig lesen, haben wir einen Buchclub gegründet. Dabei lesen wir alle jeweils das gleiche Buch und tauschen uns danach aus. Das letzte war das Mundartbuch
«Nöd us Zucker» von Lidija Burčak, das genau in der Sprache meiner frühen Jugend geschrieben ist und in Auszügen aus 17 Jahren Tagebuch das Leben der Autorin als heranwachsende Seconda beschreibt. Das nächste Buchclub-Buch, «Frei» von Lea Ypi, habe ich gerade angefangen zu lesen. Es erzählt von einer Kindheit im kommunistischen Albanien, bei dem sich nach dem Mauerfall alles änderte.

Ich höre  gerne ...

... Podcasts, wenn ich am Töpfern bin oder Fleissarbeit mache. Zu meinen Lieblingen gehören «Alles gesagt?» von der «Zeit» und «Am Wegrand», bei dem es um Botanik geht.

Eine von Valerie Lipschers Vasen, um die sich Blumen ranken und auf der Vögel auf Zweigen sitzen. Foto: @valelip

Meinen Freundinnen und Freunden schenke ich ...

… ganz unterschiedliche Dinge, die zur jeweiligen Persönlichkeit passen. Was aber alle bekommen, sind Kärtchen die ich mit Liebe von Hand mache.

Das beste Geschenk, das ich je bekommen habe, ...

… ist ein Töpferkurs. Dieser führte mich zu eigenen Töpferarbeiten, bei denen ich meine Liebe zur Natur in einer neuen Dimension ausleben kann. Durch die Langsamkeit, das genaue Beobachten und Schauen und das eigene Schaffen merkte ich, dass mich die Kunst und das Kunsthandwerk näher zur Natur führen als mein erster Beruf als Umweltwissenschaftlerin.

«Unsere Altstadtwohnung bietet nur 43 Quadratmeter Wohnraum – wir lieben sie sehr.»

Valerie Lipscher

Meinen Einrichtungsstil beschreibe ich ...

… als persönlich, kreativ und lebendig. Mein Mann und ich wohnen in einer kleinen Zürcher Altstadtwohnung, die nur 43 Quadratmeter Wohnraum bietet. Wir lieben sie sehr, da sie mittendrin ist und viel Charme hat. So haben wir uns auf kleinem Raum praktisch eingerichtet, geben aber allem Platz, was wir lieben.

Ein Einblick in die kleine Altstadtwohnung von Valerie Lipscher und ihrem Mann Samuel Schuhmacher. Foto: @valelip

Mein Lieblingsstück in der Wohnung ...

… ist ein kleines, blaues USM-Tischli, das meine Mutter beim Schrotthändler gegenüber gefunden hat. Wir brauchen auch daheim viel Raum für kreatives Schaffen. Ich habe ein Atelier, aber mein Mann Samuel Schuhmacher, der Comiczeichner und Illustrator ist, arbeitet vorwiegend zu Hause.

Valeries Lieblingsmöbel in ihrer kleinen Stadtwohnung. Foto: Moritz Schmid

An unseren Wänden hängen ...

… Bilder von unseren Freunden, aber sie dienen zum Teil auch als Pinboards für unser eigenes Schaffen.

Einkaufen gehe ich gerne ...

… in Papeterien und Bastelläden. All diese Dinge, aus denen einmal etwas werden kann, habe ich kompakt in einem Errex-Regal verstaut. Auf diesem schlichten und praktischen Regal haben auch Küchensachen Platz und gar die Buchhaltung. Zudem liebe ich alte Teppiche. Ein Geschäft, in das ich dafür gerne gehe, ist Nomadenschätze in der Zürcher Altstadt.

Küche, Esstisch und Errex-Regal in Valerlie Lipschers Zürcher Wohnung. Foto: @valelip

Zum Frühstück esse ich ...

… gerne warmen Porridge mit Beeren vom Wald.

Am liebsten koche ich ...

… Currys, asiatische Gerichte und nach Rezepten von Ottolenghi. Wenn Gäste in unser kleines Reich kommen, kocht aber meistens mein Mann.

Immer im Kühlschrank haben wir ...

... Tahini vom Zürcher Restaurant Daizy. Unser Kühlschrank ist immer prallvoll, aber wir schmeissen nichts fort, sondern brauchen immer alles auf. Am liebsten gehen mein Mann und ich zusammen auf dem Markt einkaufen und bringen dabei nicht nur Früchte und Gemüse mit, sondern auch Blumen.

Mein Lieblingsrestaurant ist ...

… das Daizy in Zürich. Ich habe dort während meiner Studienzeit oft gearbeitet und half der Betreiberin Bettina Barth dabei, ihre wunderschönen Blumenkreationen mit frischen Blumen vom Markt auf den Tischen und in den Sträussen zu arrangieren. Ich mag auch das Lotti und das Silex, dessen Küche wirklich ausserordentlich köstlich ist.

In die Ferien gehe ich ...

… momentan am liebsten irgendwo in der Nähe. Ich reiste früher weiter und schätze nun das nachhaltigere Reisen mit dem Zug in die Nachbarländer, besonders nach Italien.

Das Kleid hat die Schneiderin Ea Thomé aus einem ihrer Stoffe genäht: Valerie Lipscher auf einem Ferienfoto. Foto: @valelip

Einen Ort, den ich gerne wieder besuchen möchte, ...

… ist Prag. Mein Vater kommt ursprünglich aus der Tschechoslowakei und als wir das erste Mal als Kinder dorthin reisten, war ich nicht besonders begeistert. Später habe ich mich aber in die Stadt Prag verliebt. Auch würde ich liebend gerne einmal nach Mexiko reisen, denn die Kultur, die Farben, die Kunst und überhaupt alles in Mexiko zieht mich magisch an.

Doch momentan liegen in Valerie Lipschers Koffer Farben – und das in ihrem temporären Atelier im Lilly Keller Haus in Thusis. Das Haus war einmal ein Lagerhaus für Kolonialwaren. Lilly Kellers Familie mütterlicherseits betrieb an der damaligen Durchgangsachse Thusis einen Kolonialwarenhandel. Später, als Lilly Keller das Haus von ihrer Mutter erbte, zog die Künstlerin ein.

Durch seine grossen, hohen Räumlichkeiten ist das Haus ideal für ein Künstleratelier. Es ist in zwei Teile aufgeteilt, die durch eine grosse, türkisblau bemalte Hotelsaaltüre getrennt werden. Die Künstlerin Lilly Keller hat diese in einem Grand Hotel gefunden, das abgerissen wurde, und sie im Atelierhaus einbauen lassen. Der vordere Teil, der sich gegen den Garten öffnet, und in dem es eine Einlegerwohnung hat, dient als Atelier für die «Artists in Residence». Auf der anderen Seite befinden sich die ehemaligen Wohnräume von Lilly Keller.

Die Einlegerwohnung bietet eine kleine Küche, Wohn- und Essraum und ist rundum mit dem Garten verbunden. Wunderschöne, bunte Teppiche bedecken die alten Holzböden und überall ist der Geist von Lilly Keller zu spüren. In einer Schublade steckt gar noch eine Dose, die beschriftet ist mit «Sand aus Ägypten 1978».

Hinter der grossen Hotelsaaltüre befindet sich der Wohnbereich von Lilly Keller. Er ist voll mit ihrer Kunst, noch genau so wie zu ihrer Lebzeit. Von der hohen Decke herab hängen Teppiche und bei allem muss man mehrmals hinschauen, um zu sehen, ob es Kunst ist, Gebrauchsgegenstand oder Fundstück. Nicht selten vereint sich alles miteinander.

Die Künstlerin liess eine obere Ebene ausbauen, so ist das ehemalige Lagerhaus auch eine Art Loftwohung. Oberhalb des Bücherregals ist der Schlafbereich erkennbar, der mit Vorhängen, die an Seilen montiert sind, abgegrenzt werden kann. Das Ganze ist ein wundervolles Bohemiareich, das Geschichten erzählt und von einem langen, spannenden und kreativen Leben zeugt.

Auch der Garten, der zum Haus gehört, ist ein Kunstwerk. Als Lilly Keller mit ihrem Mann Toni Grieb im Waadtland lebte, gestaltete das Paar aus einem grossen brach liegenden Grundstück rundum ihr Haus einen Park mit seltenen Bambussorten und Nadelbäumen aus aller Welt. Einige von diesen Pflanzen und viele Objekte und Kunstwerke sind auch im Garten in Thusis. Valerie Lipscher dient der Garten derzeit als Inspiration für neue Bilder, wie dieses Blumenbild mit Rosen vom rosafarben Rosenbusch, der in der Mitte des Gartens in die Höhe wächst.

Ende August ist Valerie Lipschers Aufenthalt in Thusis als «Artist in Residence» zu Ende. Zum Abschluss gibt es am Wochenende vom 19. und 20. August einen Anlass, der öffentlich ist. Hier finden Sie weitere Infos dazu. Die Werke der Künstlerin sind auch vom 2. bis 24. September in der Galerie Krause in Pfäffikon ZH, oder ab dem 17.September bis im März im Kleintheater in Luzern sehen.