Pfizer-Affäre: Weitere Klage gegen von der Leyen

Frédéric Baldan, ein 35-jähriger belgischer Lobbyist, der sich auf die Handelsbeziehungen zwischen der EU und China spezialisiert hat, hat vor dem EU-Gericht in Luxemburg „einstweilige Maßnahmen" gegen von der Leyen beantragt. [OLIVIER HOSLET/EPA]

Die Pfizer-Affäre rund um Ursula von der Leyen schlägt weitere Wellen. Denn ein belgischer Staatsbürger hat erneut Klage gegen die Kommissionspräsidentin erhoben. Diesmal vor dem EU-Gericht in Luxemburg.

Frédéric Baldan, ein 35-jähriger belgischer Lobbyist, der sich auf die Handelsbeziehungen zwischen der EU und China spezialisiert hat, hat vor dem EU-Gericht in Luxemburg „einstweilige Maßnahmen“ gegen von der Leyen beantragt.

Im Erfolgsfall kann das Gericht anordnen, dass das Inkrafttreten des angefochtenen Rechtsakts – in diesem Fall die geschwärzten COVID-19-Verträge, die im Mittelpunkt der Pfizergate-Affäre stehen – ausgesetzt wird, oder andere einstweilige Maßnahmen ergreifen. Baldan fordert, dass von der Leyen und alle Kommissionsmitglieder während der Ermittlungen vom Amt suspendiert werden.

Der belgische Lobbyist, der 100.000 Euro Schadensersatz für seinen Vertrauensverlust in die europäischen Institutionen fordert, bestätigte gegenüber EURACTIV, dass die Klage tatsächlich am 30. Mai „eingegangen“ und vom EU-Gericht „registriert“ worden sei.

Ziel des Gerichtsverfahrens ist es, von der Leyen dafür zur Rechenschaft zu ziehen, wie sie Geschäfte über COVID-19-Impfstoffe mit Pfizer ausgehandelt hat, insbesondere durch den Austausch von Textnachrichten mit dem CEO des Unternehmens, Albert Bourla, wie die New York Times im April 2021 enthüllte.

Von der Leyen und Bourla handelten mutmaßlich den Vertrag über 1,8 Milliarden COVID-19-Impfdosen im Wert von 35 Milliarden Euro per Textnachrichten aus.

Diese Affäre untergräbt „die öffentliche Moral, das legitime Vertrauen der Bürger in die europäischen Institutionen und die Transparenz“, sagte Baldan auf einer Pressekonferenz, die am Donnerstag (8. Juni) von der französischen Grünen-Abgeordneten Michèle Rivasi in Paris organisiert wurde.

„Die europäischen Institutionen werden außerdem aufgefordert, das in Artikel 17 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) vorgesehene Verfahren zur Ernennung eines neuen Kommissionspräsidenten und neuer Kommissare anzuwenden“, so Baldans Anwalt.

Am 5. April reichte Baldan eine ähnliche Beschwerde bei einem Untersuchungsrichter in Lüttich ein. Darin beschuldigte er von der Leyen ihr Amt und ihren Titel zu missbrauchen, öffentliche Dokumente zu vernichten und illegale Interessenvertretung und Korruption zu betreiben. Die Klage befindet sich derzeit in einem gerichtlichen Verfahren.

Sollte die Klage in Lüttich Erfolg haben, könnte der Richter die Aufhebung der Immunität der Kommissionschefin und die Untersuchung der Textnachrichten anordnen.

„Das Thema geht über die Pandemie hinaus. Es stellt wirklich die Transparenz der europäischen Institutionen in Frage. Diese Affäre muss uns eine Lehre sein“, sagte Rivasi, Ko-Vorsitzender des Sonderausschusses COVID des Europäischen Parlaments, auf der Pressekonferenz.

Klage von Lobbyisten gegen von der Leyen noch nicht bearbeitet

Zwei Monate nach der Einreichung bei einem belgischen Gericht liegt die Klage eines belgischen Lobbyisten gegen die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, weiterhin bei der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO).

Kein Schutz des öffentlichen Interesses

Die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) leitete im Oktober ebenfalls eine Untersuchung in diesem Fall ein.

„EPPO bestätigt, dass eine Untersuchung über den Erwerb von COVID-19-Impfstoffen in der Europäischen Union im Gange ist“, heißt es in einer Pressemitteilung der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde.

„Diese außergewöhnliche Bestätigung ist das Ergebnis des extrem hohen öffentlichen Interesses [an diesem Fall]“, heißt es weiter.

Im Juli 2022 kritisierte die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly die Kommission ebenfalls scharf für ihren Mangel an Transparenz in dieser Angelegenheit. Die EU-Kommission behauptete, die Textnachrichten seien nicht auffindbar gewesen, nachdem die Bürgerbeauftragte Zugang zu ihnen beantragt hatte.

„Die Behandlung dieses Antrags für den Zugang zu Dokumenten hinterlässt den unglücklichen Eindruck einer europäischen Institution, die in wichtigen Fragen von öffentlichem Interesse nicht gesprächsbereit ist“, sagte die Bürgerbeauftragte zu der Zeit.

Die Europäische Kommission bestreitet ihrerseits, dass von der Leyen an den Vertragsverhandlungen beteiligt war.

„Die Präsidentin der Kommission war nicht an den Vertragsverhandlungen beteiligt. Das habe ich schon einmal gesagt, und ich werde es wiederholen“, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides im März vor dem COVI-Ausschuss.

Der Inhalt dieser Verträge bleibt unklar, da sie geschwärzt und daher unleserlich sind, während die Textnachrichten nicht gefunden werden können.

Die Abgeordnete Rivasi argumentierte jedoch, dass „nicht das öffentliche Interesse verteidigt wurde, sondern die Interessen des Herstellers.“

Nächste Schritte

Das Gericht wird einstweiligen Maßnahmen zustimmen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die Beschwerde im Ausgangsverfahren „darf auf den ersten Blick nicht unbegründet erscheinen“; der Antragsteller „muss nachweisen, dass die Maßnahmen dringend sind und ihm ohne sie ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen würde“; und die Maßnahmen „müssen eine Abwägung der Interessen der Parteien und des öffentlichen Interesses berücksichtigen.“

Werden solche Maßnahmen jedoch während der Untersuchung ergriffen, sind sie in sich abgeschlossen und greifen der endgültigen Entscheidung nicht vor.

Den französischen Originalartikel können Sie hier lesen.

(Bearbeitet von Nathalie Weatherald)

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